Beschlussvorlage - 2024/0394
Grunddaten
- Betreff:
-
Zustimmung zu erheblichen überplanmäßigen Aufwendungen/Auszahlungen bei den Hilfen zur Erziehung/der Eingliederungshilfe/den Hilfen für junge Volljährige (diff. RU)
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage
- Federführend:
- A 51 - Amt für Kinder, Jugend und Familie
- Verfassend:
- Nadine Neue
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Städteregionsausschuss
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Vorberatung
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26.09.2024
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Erledigt
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Städteregionstag
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Entscheidung
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10.10.2024
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Beschlussvorschlag
Der Städteregionstag stimmt gem. § 83 GO NRW i. V. m. § 7 der Haushaltssatzung 2024 der StädteRegion Aachen den unabweisbaren erheblichen überplanmäßigen Aufwendungen/Auszahlungen für das Jahr 2024 im Produkt 060201 - Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfe, Amtspfleg-, Amtsvormund-, Beistandschaften und Hilfen für junge Volljährige (diff. RU) bis zur Höhe von 3.660.000 € zu.
Sachlage
In der differenzierten Regionsumlage „Jugendhilfe“ (diff. RU „Jugendhilfe“) wird nach aktueller Prognose im Produkt 060201 – Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfe, Amtspfleg-, Amtsvormund-, Beistandschaften und Hilfen für junge Volljährige die Entwicklung der Sachkosten zu unabweisbaren erheblichen überplanmäßigen Aufwendungen/Auszahlungen in einer saldierten Gesamthöhe von bis zu 3.660.000 € führen, die im Detail wie folgt zustande kommt:
Im Teilprodukt 951300 – Allgemeine Familienberatung und Hilfen zur Erziehung prognostiziert das Amt für Kinder, Jugend und Familie in den Sachkosten eine Verschlechterung zum Haushaltsansatz i. H. v. rd. 3.240.000 €. Diese Mehraufwendungen können voraussichtlich zum Teil durch Mehrerträge i. H. v. rd. 1.670.000 € kompensiert werden, sodass sich in diesem Bereich eine Haushaltsverschlechterung i. H. v. rd. 1.570.000 € ergibt.
Die Verschlechterung im Bereich der Hilfen zur Erziehung ist das Ergebnis mehrerer kostenintensiver Faktoren:
Die deutliche Steigerung der Lebenshaltungskosten in den vergangenen zwei Jahren – insbesondere auch durch die ukraine-kriegsbedingte Inflation - führt zu einer generellen Kostensteigerung in allen ambulanten und stationären Hilfen. Dies lässt sich beispielsweise anhand der signifikanten Erhöhung der Kosten der Vollzeitpflege abbilden: Betrug das monatliche Pflegegeld für Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren im Jahr 2022 noch 843 €, so liegt es seit dem 01.01.2024 erstmals mit 1.025 € in einem vierstelligen Bereich. Dies entspricht einer prozentualen Steigerung in zwei Jahren von 21,59 %. Deutlicher wird die Steigerung noch beim Erziehungsbeitrag, der bei einer Erhöhung von 288 € in 2022 auf 420 € in 2024 einer prozentualen Steigerung von 45,83 % unterliegt. Diese Entwicklung zieht sich durch den gesamten Bereich der Hilfen zur Erziehung, der Eingliederungshilfe sowie der Hilfen für junge Volljährige. Nahezu jeder ambulante Jugendhilfeanbieter hat im vergangenen Jahr und teilweise erneut in diesem Jahr die Höhe seines Fachleistungsstundensatzes neu verhandelt. Aufgrund der bundesweiten Platzknappheit in stationären Einrichtungen und der immer weiter steigenden Fallzahlen können die Jugendhilfeanbieter die Höhe der Tagessätze zwischenzeitlich „diktieren“ und „auswählen“, welchem Kind/Jugendlichen sie einen Platz anbieten. Besonders problematisch sind zwei laufende Fälle von sog. „Systemsprengern“, die bereits diverse Einrichtung verlassen mussten, weil sie für diese nicht mehr tragbar waren und nur noch in besonders kostenintensiven Settings mit einem Finanzvolumen von bis zu 350.000 €/jährlich untergebracht werden können.
Um der steigenden Tendenz der Fallzahlen dieser kostenintensiven Maßnahmen entgegenzuwirken, ist oftmals die Erhöhung der Fachleistungsstunden der sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) sowie der Erziehungsbeistandschaften (EBS) erforderlich. Durch diese kostengünstigere Maßnahme werden Kinder/ Jugendliche im familiären Kontext gehalten und stationäre Unterbringungen vermieden. Dies hat jedoch wiederum die Erhöhung der Aufwendungen in diesem Bereich zur Folge.
Hinzu kommt die dramatisch gestiegene Anzahl an unbegleiteten minderjährigen Ausländern (umA) in den vergangenen drei Jahren. In diesem Bereich lag die Fallzahl im August 2021 noch bei neun, aktuell sind durch das Amt für Kinder, Jugend und Familie der StädteRegion Aachen insgesamt 39 Jugendliche untergebracht. Alleine hierdurch ergibt sich im Jahr 2024 ein Aufwand von voraussichtlich knapp 2 Mio. €. Dieser wird zwar im Nachhinein vollumfänglich durch das Land erstattet und ist somit grundsätzlich kostenneutral, dennoch führen die umA im Haushalt auf der Aufwandsseite zunächst zu einer nicht unbeachtlichen Erhöhung.
Letztlich ist auch die Anzahl der Inobhutnahmen in den vergangenen Jahren konstant angestiegen. Dies ist ebenfalls zum Teil auf die gestiegene Anzahl an umA zurückzuführen. Hinzu kommt, dass Inobhutnahmen aufgrund langwieriger Verfahren beim Familiengericht länger als bisher üblich andauern, wodurch wiederrum höhere Aufwendungen entstehen, da die Tagessätze der Inobhutnahmegruppen deutlich kostenintensiver sind als die der Regelgruppen. Bereits im Haushaltsjahr 2023 betrugen die Aufwendungen für Inobhutnahmen rd. 980.000 €, in 2024 wird die Grenze von 1 Mio. € mit hoher Wahrscheinlichkeit erstmalig überschritten.
Die prognostizierten Mehrerträge von rd. 1.670.000 € werden aufgrund des Abrechnungsverfahrens von umA und Kostenerstattungsfällen mit anderen Jugendämtern frühestens im Januar 2025 zum Tragen kommen, sodass diese nicht rechtzeitig zu Mehraufwendungen gem. § 21 Abs. 2 KomHVO berechtigen. Demnach sind im Teilprodukt 951300 überplanmäßige Aufwendungen/ Auszahlungen in Höhe von 3.240.000 € erforderlich.
Im Teilprodukt 951330 - Hilfe für junge Volljährige ergibt sich nach aktueller Prognose eine Erhöhung der Sachkosten im Vergleich zum Haushaltsansatz i. H. v. rd. 980.000 €. Die Verschlechterung ist überwiegend auf die massiv erhöhten Pflegegeldsätze sowie die gestiegene Anzahl an umA (vgl. obenstehende Ausführungen), welche oftmals auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres bis zur Verselbständigung weiter über die Jugendhilfe betreut und untergebracht werden müssen, zurückzuführen. Die prognostizierten Aufwendungen im Bereich der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung (INSPE) i. H. v. rd. 100.000 € sind ausschließlich in der Betreuung von
18-jährigen umA (aktuell fünf laufende Fälle) begründet. Im Bereich der Heimpflege für junge Volljährige verursachen die umA (aktuell acht laufende Fälle) mit rd. 480.000 € ca. 40 % der Gesamtaufwendungen. Darüber hinaus resultiert die Verschlechterung aus einer generellen Fallzahlensteigerung im ambulanten und stationären Bereich der Hilfen zur Erziehung für junge Volljährige, da in bestehenden Hilfefällen die Verselbständigung nicht punktgenau mit der Vollendung des 18. Lebensjahres erreicht werden konnte bzw. kann, sondern eine Unterstützung in verschiedenen Lebensbereichen auch noch nach Erreichen der Volljährigkeit erforderlich war bzw. ist.
Durch die Erstattung der Aufwendungen für umA ist auch im Bereich der Hilfen für junge Volljährige eine Verbesserung der Erträge zu verzeichnen. Zudem hat der Anstieg von stationären Hilfen auch immer Mehrerträge im Bereich der Kostenbeiträge aus Kindergeld und dem Einkommen der Eltern zur Folge. Zum jetzigen Zeitpunkt werden daher im Bereich der Hilfen für junge Volljährige Mehrerträge i. H. v. rd. 800.000 € prognostiziert, die zwar nicht rechtzeitig zu Mehraufwendungen gem. § 21 Abs. 2 KomHVO berechtigen, jedoch im Rahmen des Jahresabschlusses die Verschlechterung teilweise kompensieren können.
Im Teilprodukt 951310 – Eingliederungshilfe prognostiziert das Amt für Kinder, Jugend und Familie zum jetzigen Zeitpunkt hingegen eine Verbesserung in den Sachkosten im Vergleich zum Haushaltsansatz im Umfang von rd. 810.000 €. Im Vergleich zum Jahresabschluss 2023 bedeutet dies erstmalig - nach jahrelanger kontinuierlicher Steigerung der Aufwendungen in diesem Bereich - eine Verbesserung von rd. 500.000 €. Dies ist darin begründet, dass die größtenteils im Rahmen der Corona-Pandemie eingerichteten stationären Hilfen von Kinder und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten wie beispielsweise depressiven Verstimmungen, Angststörungen bis hin zu suizidalen Tendenzen in den vergangenen Monaten fast vollständig beendet werden konnten. Auch wenn die Kosten für schulische Hilfen im laufenden Haushaltsjahr bei einer Steigerung der Ansätze von rd. 83 % seit 2020 auf einem konstant hohen Niveau bleiben, konnten Schulbegleitungen, die in Folge der Corona-Pandemie und den damit verbundenen mehrwöchigen Schulschließungen entstanden sind, zwischenzeitlich reduziert und in Einzelfällen sogar beendet werden. Hier zeigt zudem der Ausbau der Schulsozialarbeit um 1,0 VZÄ ab 2024 als präventive Maßnahme erste positive Wirkungen. Zeitgleich ergeben sich im Bereich der Eingliederungshilfe voraussichtlich Mehrerträge von rd. 80.000 €.
Da die Aufwendungen im Produkt 060201 – Hilfen zur Erziehung, Eingliederungs-hilfe, Amtspfleg-, Amtsvormund-, Beistandschaften und Hilfen für junge Volljährige gemäß § 21 Abs. 1 KomHVO zu einem Budget zusammengefasst sind, können nicht benötigte finanzielle Mittel im Teilprodukt 951310 – Eingliederungshilfe (810.000 €) für die Mehraufwendungen in den übrigen Teilprodukten (4.220.000 €) verwendet werden. Demnach ergibt sich ein Bedarf von unabweisbaren erheblichen überplanmäßigen Aufwendungen/Auszahlungen i. H. v. 3.410.000 €.
Insgesamt ist die Prognose in den Teilprodukten Hilfen zur Erziehung, der Eingliederungshilfe und der Hilfen für junge Volljährige abhängig von Faktoren, die seitens der Verwaltung nicht beeinflusst werden können (weiterer Fallzahlenanstieg, kurzfristiger Zuständigkeitswechsel und damit einhergehende Kostenerstattungspflicht etc.). Zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit des Amtes für Kinder, Jugend und Familie und zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs auch bei unvorhersehbaren Geschehnissen, ist vorsichtshalber die Bewilligung von überplanmäßigen Aufwendungen/Auszahlungen i. H. v. 250.000 € erforderlich.
Insgesamt besteht die Möglichkeit, dass die erheblichen überplanmäßigen Aufwendungen/Auszahlungen von 3.660.000 € nicht in voller Höhe in Anspruch genommen werden. Insbesondere die prognostizierten Mehrerträge werden einen Teil der überplanmäßigen Aufwendungen/Auszahlungen decken können.
Rechtslage
Nach § 83 Abs. 2 GO NRW i. V. m. § 53 Abs. 1 KrO NRW ist bei erheblichen überplanmäßigen und außerplanmäßigen Aufwendungen und Auszahlungen die vorherige Zustimmung des Städteregionstages einzuholen. Laut § 7 Nr. 1 der Haushaltssatzung 2024 der Städteregion Aachen gelten überplanmäßige Aufwendungen als erheblich, wenn sie im Einzelfall den jeweiligen Haushaltsansatz um 100.000 € übersteigen.
Personelle Auswirkungen
Keine.
Finanzielle/bilanzielle Auswirkungen
Vgl. Ausführungen unter „Sachlage“.
Die überplanmäßigen Aufwendungen/Auszahlungen entstehen im Detail auf den folgenden Kostenträgern/Kostenstellen/Sachkonten:
Kostenträger |
Kostenstelle |
Sachkonto |
Betrag |
951300 |
551000 |
533139 |
510.000 € |
951300 |
551000 |
533140 |
130.000 € |
951300 |
551000 |
533142 |
280.000 € |
951300 |
551000 |
533143 |
65.000 € |
951300 |
551000 |
533204 |
1.385.000 € |
951300 |
551000 |
533208 |
60.000 € |
951330 |
551000 |
533145 |
250.000 € |
951330 |
551000 |
533153 |
80.000 € |
951330 |
551000 |
533154 |
90.000 € |
951330 |
551000 |
533205 |
810.000 € |
Summe: |
3.660.000 € |
Die erwarteten Mehrerträge, welche die obenstehenden überplanmäßigen Aufwendungen teilweise kompensieren, entstehen auf den folgenden Kostenträgern/Kostenstellen/Sachkonten:
Kostenträger |
Kostenstelle |
Sachkonto |
Betrag |
951300 |
551000 |
414200 |
100.000 € |
951300 |
551000 |
421101 |
1.480.000 € |
951300 |
551000 |
422101 |
90.000 € |
951310 |
551000 |
422102 |
80.000 € |
951330 |
551000 |
421101 |
800.000 € |
Summe: |
2.550.000 € |
Die differenzierte Regionsumlage „Jugendhilfe“ wird von den Jugendamtskommunen Baesweiler, Monschau, Roetgen und Simmerath aufgebracht. Für das Haushaltsjahr 2024 wird sie spitz abgerechnet und als Ertrag im Produkt 160101 „Steuern, allg. Zuweisungen, allg. Umlagen“ bei Sachkonto 418511 „Regionsumlage-Mehrbelastung Jugendhilfe (Abrechnung)“ eingebucht. Daraus ergibt sich die Deckung der rechnerisch verbleibenden 1.110.000 €. Die voraussichtlich entstehende Haushaltsverschlechterung in 2024 (Zuschussbedarf) ist zu 100 % von den Jugendamtskommunen im Haushaltsjahr 2026 aufzubringen und verbleibt bis dahin als Forderung in der städteregionalen Bilanz.
Soziale Auswirkungen
Individuelle und bedarfsgerechte Unterstützungs- und Hilfeangebote für Kinder, Jugendliche und Familien tragen zur Förderung guter Lebensbedingungen junger Menschen im Jugendamtsbereich der StädteRegion Aachen bei. Die Gewährleistung fachlicher Qualität und die Sicherstellung des Kindesschutzes stehen an oberster Stelle.