Mitteilungsvorlage - 2023/0111
Grunddaten
- Betreff:
-
Fortführung der Sprachheilambulanz ab 01.01.2023
- Status:
- öffentlich (Vorlage freigegeben)
- Vorlageart:
- Mitteilungsvorlage
- Federführend:
- A 53 - Gesundheitsamt
- Antragstellend:
- Thilo Koch
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Senioren und demographische Vielfalt
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Kenntnisnahme
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22.03.2023
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Sachlage:
In der Sitzung des Städteregionsausschusses am 28.11.2019 (Sitzungsvorlagen-Nr. 2019/0377) wurde auf Empfehlung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Senioren und demographische Vielfalt dem Konzept zur Fortführung der Sprachheilambulanz (SHA) ab dem 01.01.2020 zugestimmt. Gleichzeitig wurde die Verwaltung beauftragt, die Auswirkungen der Kündigung des Versorgungsvertrages zwischen der StädteRegion Aachen und den nordrheinischen Krankenkassen/-verbänden zum 31.12.2019 (Wegfall der Durchführung von Sprachtherapien in Kindertagesstätten) zu beobachten, zu evaluieren und ggf. unter Beachtung des Personaleinsatzes eine Anpassung des bisherigen Konzeptes vorzunehmen.
In der Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Senioren und demographische Vielfalt vom 16.03.2022 (Sitzungsvorlagen-Nr. 2022/0109) legte die Verwaltung einen detaillierten Erfahrungsbericht vor und teilte mit, dass aufgrund der Einschränkungen der Arbeit der SHA während der Corona-Pandemie der Erprobungszeitraum des vorliegenden Konzeptes um ein weiteres Jahr bis Ende 2022 verlängert werde, um dadurch im Frühjahr 2023 ein belastbares Bild und eine realistische Einschätzung zur Arbeit der SHA zu erlangen, auf dessen Basis das Konzept entsprechend angepasst werde. Dieses legt die Verwaltung hiermit vor.
Aktuelle Situation:
Im Nachgang zum detaillierten Bericht zur Arbeit der SHA aus März 2022 kann nunmehr berichtet werden, dass sich die Zahl der durchgeführten Testungen zur Identifizierung logopädischer Therapiebedürftigkeit gegenüber 2020 um ca. 20% erhöht hat und für die Jahre 2021 und 2022 ein Niveau von jährlich ca. 470 Testungen erreicht wurde.
Dies entspricht unter Berücksichtigung der jährlichen Schwankungen etwa 55-65% der Fallzahlen, die in den Jahren vor Kündigung des Krankenkassen-Vertrages durchgeführt wurden.
Häufige Anlässe für Testungen sind weiterhin fehlende Unterstützung der Eltern, Unsicherheit der Erzieherinnen in Hinblick auf vorhandene Sprachstörungen, aber auch bisher nicht erlangte Verordnungen von niedergelassenen Ärzt_innen.
Bei etwa 80% der Kinder, denen eine Sprachtherapie empfohlen wird, kann durch die Bemühungen der SHA eine Therapieaufnahme innerhalb eines halben Jahres nach Testung erreicht werden. Unter den Kindern, bei denen keine Therapieaufnahme verzeichnet werden kann, ist dies oft darin begründet, dass die Eltern nicht aktiviert werden können. Es kommt aber auch vor, dass niedergelassene Ärzt_innen eine Verordnung zunächst ablehnen, um die weitere Sprachentwicklung des Kindes zu beobachten.
Aktuelle Problemlagen und Herausforderungen:
Der Bedarf für Testungen ist weiterhin hoch, wird aber vermutlich deutlich unterschätzt. Offenkundig werden viele unversorgte sprachauffällige Kinder momentan nicht mehr durch die Kita-Mitarbeiterinnen wie im bisherigen Umfang an die SHA gemeldet. Dies hat verschiedene Ursachen:
Rückmeldungen aus den Kitas zeigen, dass Kinder nicht gemeldet werden, weil ein Erfolg für die Erzieher_innen nicht mehr direkt erkennbar ist – nämlich die anschließende Therapie unmittelbar in der Einrichtung.
Darüber hinaus wird aber auch berichtet, dass es aufgrund der hohen Belastungen der Erzieher_innen im Kita-Alltag vorkommt, dass nicht daran gedacht wird bzw. es im Kita-Alltag untergeht, Kinder an die SHA zu melden, obwohl diese einer Überprüfung auf logopädischen Therapiebedarf dringend bedürfen.
Weiterhin ist aufgrund der personellen Fluktuation in den Kitas davon auszugehen, dass in Einrichtungen weniger Kinder gemeldet werden, wenn neue Kräfte über die Tätigkeit der SHA nicht informiert sind. Zudem machen nur ca. 80-90 Kitas der insgesamt rund 300 Einrichtungen in der StädteRegion Aachen regelmäßig Gebrauch vom Angebot der SHA. Insgesamt ist daher eine intensivere Werbung und Aufklärung der Kita-Mitarbeitenden über die Arbeit und die Möglichkeiten der Sprachheilambulanz erforderlich.
Eine weitere Herausforderung zeigt sich im zunehmenden Bedarf von auffälligen Kindern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist und eine Testung in ihrer Muttersprache benötigen. Ebenso steigt der individuelle Beratungsbedarf von Eltern mit Sprachbarrieren an, der sich in einem gestiegenen Zeitaufwand widerspiegelt.
Zusätzlich bestehen Unsicherheiten aufgrund des Wegfalls der sog. „Sprach-Kitas“ zum Jahresende 2023 inklusive deren Förderung, woraus sich ggfs. weitere Anforderungen an die SHA ergeben.
Zudem stehen aufgrund einer teilweisen beruflichen Umorientierung während der Corona-Pandemie die Honorarkräfte der SHA nicht mehr im gewohnten sowie flexiblen Umfang zur Verfügung.
Die Verwaltung stellt fest, dass die Arbeit der SHA weiterhin notwendig ist, um den unverändert hohen Bedarfen einer Unterstützung der kindlichen Frühentwicklung gerecht zu werden. Sie erwartet vor dem Hintergrund der abklingenden Pandemie sowie der Flüchtlingsbewegungen einen ggfs. sogar darüber hinaus steigenden Bedarf.
Lösungsansatz:
Die Verwaltung wird aus Mitteln des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) zwei halbe logopädische Fachkräfte einstellen. Diese werden in einem Mischsystem neben den bisherigen Honorarkräften zeitlich befristet bis Ende 2026 das bisherige SHA-Team verstärken:
- dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, Präventionsarbeit und die individuelle Beratung von Eltern und Einrichtungen im Sinne eines „Aufholens nach Corona“ voranzutreiben, um den durch die Corona-Pandemie ggfs. verursachten sprachlichen Defiziten der Kinder im Kitabereich entgegenzuwirken.
- die feste Anbindung der logopädischen Fachkräfte im Bereich der Prävention des Gesundheitsamtes lässt eine stärkere bedarfsgerechte Steuerung zu. Dies betrifft Aufgaben wie z.B. ergänzende Fortbildungs- und Beratungsangebote für Eltern und Kita-Mitarbeitende.
- mittelfristig soll das Angebot der SHA im Gesundheitsamt selbst verstetigt werden. Dazu könnten nach Auslaufen der Förderung aus dem Pakt ÖGD (Ende 2026) Teile der im Haushalt veranschlagten Mittel in Höhe von 130.000€, die aktuell für die Honorarkräfte der SHA vorgesehen sind, umgewidmet werden.
- Honorarkräfte sollen weiterhin dort eingesetzt werden, wo eine muttersprachliche Testung erforderlich ist, und diese nicht durch die festangestellten logopädischen Mitarbeiterinnen der SHA selbst durchgeführt werden können.
- Durch die Integration der festangestellten Fachkräfte in das Gesundheitsamt ist eine niedrigschwellige Vernetzung mit weiteren Akteuren des Gesundheitsamtes im Bereich der Kindergesundheit und die Nutzung von deren Unterstützungssystemen, z.B. Frühe Hilfen und Kinder- und jugendärztlicher Dienst, auf kurzem Dienstweg möglich.
Abschließend sichert die Verwaltung zu, dass sie in der zweiten Jahreshälfte 2025 einen Erfahrungsbericht über diese veränderte Vorgehensweise zur Beratung vorlegen wird, verbunden mit einem Vorschlag über das weitere Vorgehen ab 2027.
Ob die nach dem Pakt ÖGD bis zum 31.12.2026 befristet finanzierten Stellen dauerhaft von Bund und Land refinanziert werden, soll Ende 2023/Anfang 2024 zwischen Bund und Land verhandelt werden. Zu dieser Thematik wird die Verwaltung die politischen Gremien gesondert informieren, sobald es hierzu Ergebnisse gibt.
Die Verwaltung bittet um Kenntnisnahme.
Rechtslage:
Die untere Gesundheitsbehörde berät und unterstützt Personen, die wegen ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes und auf Grund sozialer Umstände besonderer gesundheitlicher Fürsorge bedürfen (Gesundheitshilfe) (§14 ÖGDG NW).
Personelle Auswirkungen:
Zusätzliche Besetzung zweier 50%-Stellen – ca. zum 01.07.2023- mit logopädischen Fachkräften aus Mitteln des ÖGD-Paktes
Finanzielle/bilanzielle Auswirkungen:
Im Haushalt 2023 sind im Budget des A 53 – Gesundheitsamt, Produkt 07.01.01 „Öffentlicher Gesundheitsdienst“ bei Sachkonto A/533101 „Aufwendungen der ambulanten Sprachheilfürsorge“ Haushaltsmittel in Höhe von 130.000 € eingeplant. Darüber hinaus sind Personalaufwendungen für den Pakt ÖGD berücksichtigt, aus denen die beiden 50 %-Stellen für logopädische Fachkräfte finanziert werden bei vollständiger Refinanzierung (befristet bis Ende 2026), die ebenfalls im Budget veranschlagt ist (Sachkonto E/414100 „Zuweisungen und Zuschüsse für lfd. Zwecke vom Land“).
Soziale Auswirkungen:
Mit Umsetzung des vorliegenden Konzeptes wird die sozialkompensatorische Aufgabe des Gesundheitsamtes weiterhin wahrgenommen, Personen zu beraten und zu unterstützen, die aufgrund sozialer Umstände besonderer gesundheitlicher Fürsorge bedürfen (§ 14 ÖGDG).
Im Auftrag:
gez. Dr. Ziemons