Beschlussvorlage - 2021/0019
Grunddaten
- Betreff:
-
Rettungsdienst - Verfahren zur Durchführung des Rettungsdienstes nach Vertragsablauf
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Beschlussvorlage
- Federführend:
- A 38 - Amt für Brandschutz, Rettungsdienst und Bevölkerungsschutz
- Antragstellend:
- Siehoff, Stefan
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Ausschuss für Rettungswesen und Bevölkerungsschutz
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Vorberatung
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26.05.2021
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Erledigt
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Städteregionsausschuss
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Entscheidung
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17.06.2021
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Beschlussvorschlag
Beschlussvorschlag:
Der Städteregionsausschuss trifft folgende Entscheidungen:
Er beauftragt die Verwaltung, zur nachhaltigen Sicherstellung eines qualifizierten Rettungsdienstes nach dem Ende der jetzigen Vertragslaufzeit (30.09.2023), die Einbindung aller Hilfsorganisationen der Region (DRK, JUH, MHD) auf der Grundlage der Bereichsausnahme vorzubereiten. Teilbereiche sind zur Erzielung von Synergien durch Vorhaltung von Mitarbeitenden des Fachamtes wahrzunehmen.
Sach- und Rechtslage:
Seitdem der Gesetzgeber den Kreisen und kreisfreien Städten die Aufgabe des Rettungsdienstes zugeschrieben hat, bedient sich der Kreis Aachen, heute die StädteRegion Aachen, Dritter zur Durchführung dieser Aufgabe. Aufgrund des großen Auftragsvolumens, der Zielsetzung zu transparentem, diskriminierungsfreiem Handeln und der Vorbeugung bezüglich des Vorwurfes, bestimmte Organisationen zu bevorzugen, wurden die Vertragspartner seit 2003 auf der Grundlage von VOL/A-Ausschreibungen identifiziert. Während der Ausschreibungsperiode 2014 bis 2018 wurde aufgrund der Entwicklungen hinsichtlich massiver Kostensteigerungen eine nachbeauftragung notwendig, u.a. durch das Inkrafttreten des Notfallsanitätergesetzes im Jahr 2016. Eine freihändige Vergabe war auf der Grundlage der sogenannten Bereichsausnahme möglich. Kurz vor Abschluss der entsprechenden Verträge mit den in der Region tätigen Hilfsorganisationen, der DRK Rettungsdienst gGmbH – (DRK), dem Malteser Hilfsdienst e.V. (MHD) und der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. (JUH) wurde das Verfahren durch die Vergabekammer Rheinland aufgrund eines Nachprüfungsantrages der Fa. Falck GmbH bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt. Deshalb musste dann dennoch eine EU-weite Ausschreibung auf Basis der Vergabeverordnung (VgV) erfolgen. Ergebnis dieser Ausschreibung war eine Vergabe des Auftrages für die Zeit vom 01.10.2018 bis 30.09.2023 an die Hilfsorganisationen DRK, MHD und JUH.
Nunmehr soll in der Mitte der Beauftragungszeit neu bewertet werden, ob nach Ablauf der Vertragsdauer der Rettungsdienst kommunalisiert werden soll,- Wahrnehmung durch eigene Kräfte - oder der Rettungsdienst durch Leistungserbringer durchgeführt werden soll, - eine EU-weite Ausschreibung auf der Grundlage der VgV - oder die Einbindung von DRK, MHD und JUH auf der Grundlage der Bereichsausnahme erfolgen soll (vgl. Sitzungsvorlage 2017/0553).
1.) Wahrnehmung durch eigene Kräfte
Bei der Kommunalisierung würde die Aufgabe mit eigenem Personal der StädteRegion Aachen wahrgenommen. Mögliche Organisationsformen sind neben der grundsätzlichen Behörden- bzw. Amtsstruktur (siehe z. B. Kindergärten in Trägerschaft der StädteRegion) im Rahmen der wirtschaftlichen Betätigung ein Regiebetrieb, eine eigenbetriebsähnliche Einrichtung, eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) und eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).
Vor- und Nachteile einer Kommunalisierung
Vorteile:
Bei der Kommunalisierung wird sowohl das Verwaltungspersonal für die administrativen Tätigkeiten als auch das Einsatzpersonal durch die StädteRegion bzw. eine von ihr gegründete Organisationsform gestellt. Damit ist ein unmittelbarer Einfluss auf das Rettungsdienstpersonal möglich. Wenn auch nach den bisherigen Erfahrungen der nur mittelbare Einfluss auf das Einsatzpersonal der Vertragspartner dazu führt, dass die StädteRegion Aachen über einen qualitativ guten Rettungsdienst verfügt, fehlt dennoch der unmittelbare Zugriff auf das Einsatzpersonal. Durch den unmittelbaren Zugriff auf das Einsatzpersonal wäre eine weitere Verbesserung der Durchführungsqualität zu erwarten, da kurze Prozesswege und Prozessabgleiche geschehen können sowie der Abstimmungsbedarf mit externen Leistungserbringern entfällt. Derzeit werden die Kompetenzen der Notfallsanitäter_innen durch das gemeinsame Kompendium Rettungsdienst geregelt, welches in den lokalen Versorgungsstandards die Heterogenität der Leistungserbringung berücksichtigt. Diese Standards könnten unter Berücksichtigung der einheitlichen Durchführung und der direkten Zugriffs- und Fortbildungsmöglichkeit der Notfallsanitäter neu bewertet werden. Für das gesamte Einsatzpersonal wäre es ein großer Vorteil, dass nicht alle paar Jahre die Gefahr besteht, den Arbeitsplatz zumindest am derzeitigen Standort zu verlieren bzw. einen Wechsel des Arbeitgebers in Kauf nehmen zu müssen (Stichwort Betriebsübergang). Eine Ausgliederung der Leistungserbringung aus der allgemeinen Verwaltung bewirkt kurze und schnelle Handlungsmöglichkeiten über die Leitung der gewählten Rechtsform. Schnittstellenprobleme können auf ein Minimum reduziert werden.
Nachteile:
Bei einer Kommunalisierung bedarf es der Aufstockung des Verwaltungspersonals und der Einstellung von Einsatzpersonal, welches durch die Kostenträger refinanziert wird. Beim erweiterten Rettungsdienst/Sonderbedarf, bei dem ebenfalls hohe Qualitätsanforderungen an das Personal gestellt werden, dessen Einsatzhäufigkeit jedoch sehr gering ist, ist eine wirtschaftliche Vorhaltung nicht darstellbar. Ebenso bei dem Segment der Patientenablage. In allen Bereichen kommt es darauf an, in kurzer Zeit qualifiziertes Personal zu bekommen. Dies wird mit dem lediglich vorhandenen hauptamtlichen Personal voraussichtlich problematischer. Durch die Kommunalisierung würde sich aufgrund der hauptamtlichen Tätigkeit im Rettungsdienst eine fehlende Anknüpfung an die Verzahnung des Gesamtsystems aus Brandschutz, Katastrophenschutz und Rettungsdienst ergeben. Aber auch die gestiegenen Qualitätsanforderungen – insbesondere durch den Ausbildungsberuf des Notfallsanitäters – machen eine Einbindung des Ehrenamtes in der Notfallrettung immer unwahrscheinlicher.
2.) Wahrnehmung durch Leistungserbringer
a) EU-weite Ausschreibung
Die StädteRegion Aachen, bzw. der damalige Kreis Aachen, hat die rettungsdienstlichen Leistungen bereits mehrfach im Wege EU-weiter Ausschreibungen vergeben. Bei der letzten Ausschreibung im Jahr 2018 wurde die Leistung „Vergabe von Rettungsdienstleistungen einschließlich Vorhaltung Infrastruktur für Schadenereignisse mit einer größeren Anzahl Verletzter oder Kranker in der StädteRegion Aachen“ im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb nach § 17 VgV EU-weit ausgeschrieben. Die Lose wurden an die DRK Rettungsdienst gGmbH, den Malteser Hilfsdienst e.V. und den Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. jeweils für den Zeitraum 01.10.2018 bis 30.09.2023 vergeben.
Vorteile:
Durch die Vergabe wird den fünf Grundprinzipien Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen. Die langjährige Erfahrung zeigt, dass die Einbindung von zusätzlichen Kräften, die u.a. zur Besetzung des Spitzenbedarfs, des erweiterten Rettungsdienstes und der Patientenablagen benötigt werden, problemlos möglich ist. Durch die Beteiligung am Rettungsdienst kann eher Personal der Hilfsorganisationen dazu motiviert werden, sich als Helferinnen und Helfer in den Einsatzeinheiten im Katastrophenschutz ehrenamtlich zu engagieren.
Nachteile:
Die verwaltungsseitigen Vor- und Nacharbeiten der Vergabe ziehen sich fast über den gesamten Zeitraum der Vergabe. Die kurzen Vertragslaufzeiten von 5 Jahren können ggfls. zu einem häufigeren Wechsel der Vertragspartner führen. Darüber hinaus ist aus diesem Grund eine hohe Personalfluktuation aufgrund mangelnder Arbeitsplatzsicherheit zu befürchten. Eine höhere Bezahlung in benachbarten kommunalisierten Rettungsdiensten sowie die Möglichkeit der Verbeamtung in den Feuerwehren fördert die Abwanderung des ausgebildeten Personals.
b) Bereichsausnahme:
Im April 2016 wurde die EU-Bereichsausnahme vom Vergaberecht in nationales Recht umgesetzt. Zu den Bereichen gehören die Notfallrettung und der qualifizierte Krankentransport. Durch die Bereichsausnahme nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) soll erreicht werden, dass Aufträge zur Sicherstellung des Rettungsdienstes an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen freihändig vergeben werden dürfen. Der Städteregionsausschuss hatte die Verwaltung beauftragt, das Verfahren zur Einbindung aller Hilfsorganisationen (DRK, JUH, MHD) in den Rettungsdienst der StädteRegion Aachen ab 2018 auf der Grundlage des Konstruktes „Bereichsausnahme“ vorzubereiten und zur Entscheidung vorzulegen (Sitzungsvorlage 2016/0325-E1). Diese Vergabe konnte jedoch letztendlich nicht auf diesem Wege durchgeführt werden, da bei der Vergabekammer Rheinland ein Antrag auf Nachprüfung gestellt wurde und das Nachprüfungsverfahren bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen des OLG Düsseldorf in dem Verfahren OLG Düsseldorf – VII Verg 34/16 – ausgesetzt wurde. Mit Beschluss vom 05.02.2018 wurde das Verfahren eingestellt, da die Vergabe in Rahmen der Bereichsausnahme aufgehoben wurde. Dies war wiederrum erforderlich, um die anschließende EU-weite Vergabe zur Sicherstellung des Rettungsdienstes durchzuführen. Der EuGH hat am 21.03.2019 sein Urteil gesprochen. Das von der StädteRegion durchgeführte Verfahren der „Bereichsausnahme“, welches unter Beachtung der Vergabegrundsätze Gleichbehandlung, Wettbewerb und Transparenz sogar EU-weit veröffentlicht wurde, wurde durch die Entscheidung des EuGH in allen Punkten bestätigt (Sitzungsvorlage Nr. 2019/0222).
Die Frage hinsichtlich der Gemeinnützigkeit von Organisationen oder Vereinigungen wurde durch den EuGH nicht endgültig geklärt, da es nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fällt. Hier bleibt eine nationale Entscheidung abzuwarten.
Bezüglich der Anwendbarkeit der Bereichsausnahme gibt es immer noch unterschiedliche Rechtsauffassungen. Wie sich die Rechtslage hierzu weiterentwickelt, ist abzuwarten. Die für eine Vergabe erforderliche Gemeinnützigkeit für anerkannte Hilfsorganisationen kann jedoch auch im Einzelfall geprüft und die fehlende Gewinnerzielungsabsicht festgestellt werden. Nach den Ausführungen des Landkreistages (Rundschreiben 198/2019) genügt hierfür die Vorlage eines Freistellungsbescheids.
Auch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat mit Bericht für den Innenausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen vom 17.03.2020 ausgeführt, dass die Landesregierung immer wieder die systemische Verzahnung von qualifiziertem Krankentransport, Notfallrettung und Katastrophenschutz betont hat und es über die über § 13 RettG NRW für den Rettungsdienst in Nordrhein-Westfalen anwendbare Bereichsausnahme einen breiten Konsens über die Landesregierung hinaus gab. Aus Landessicht war damit die Umsetzung der Bereichsausnahme des EU-Vergaberechts in Nordrhein-Westfalen in den Bereichen des Rettungsdienstes, des Brandschutzes und des Katastrophenschutzes abgeschlossen.
Das Ministerium sieht nach dem Urteil des EuGH keine Gründe, welche einer Anwendbarkeit der Bereichsausnahme entgegenstehen.
Vorteile:
Soweit die Bereichsausnahme greift, entfällt die Durchführung eines EU-Vergabeverfahren. Es besteht kein Erfordernis für eine Auftragsbekanntmachung im EU-Amtsblatt und keine Zuständigkeit der Vergabekammern und OLG-Vergabesenate. Wie bei der EU-Vergabe ist es auch bei der Bereichsausnahme den Hilfsorganisationen aufgrund ihrer Strukturen problemlos möglich, unter Zeitdruck zusätzliche Kräfte zu rekrutieren, die dann den Spitzenbedarf oder den erweiterten Rettungsdienst besetzen. Auch die personelle Ausstattung mit Personal und Material für die Patientenablagen ist möglich. Die Bereitstellung von Helfern für die Einsatzeinheiten ist für die Hilfsorganisationen weiterhin möglich, da durch die Einbindung in den Rettungsdienst Personal motiviert wird, sich auch ehrenamtlich zu engagieren. Ferner bietet die Bereichsausnahme durch die Nutzung der Struktur der Hilfsorganisationen eine Basis für eine gute Verzahnung mit dem Gesamtsystem aus Brandschutz, Katastrophenschutz und Rettungsdienst.
Nachteile:
Wie vorstehend beschrieben ist die derzeitige Rechtslage nicht endgültig geklärt und daher letztendlich nicht absolut rechtssicher. Als einen möglichen Nachteil sieht die Verwaltung eine weitere Kostensteigerung gegenüber der jetzigen EU-Vergabe. Die Laufzeit der Übertragung der Aufgabe ist nach § 13 Abs. 2 RettG NRW auf höchstens 5 Jahre zu begrenzen. Für die Mitarbeitenden besteht keine langfristige Planungssicherheit.
Zusammenfassende Bewertung und Begründung des Beschlussvorschlags:
Nach Abwägung aller aufgeführten Vor- und Nachteile der beschriebenen Möglichkeiten kommt die Verwaltung zu dem Ergebnis, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Durchführung des Rettungsdienstes unter Einbindung aller Hilfsorganisationen auf der Grundlage der Bereichsausnahme zu favorisieren ist. Gleichzeitig soll für die Zukunft jedoch auch die Möglichkeit, Teilbereiche durch Mitarbeitende des Fachamtes wahrzunehmen, eröffnet werden. Die Konkretisierung erfolgt mit der Fortschreibung des Bedarfsplans.
Personelle Auswirkungen:
Keine.
Finanzielle/bilanzielle Auswirkungen:
Die finanziellen Auswirkungen werden grundsätzlich über die Gebührenkalkulation für die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes refinanziert. Lediglich die Hälfte der Kosten von nicht abrechenbaren Fehleinsätzen müssen durch die StädteRegion Aachen übernommen werden.
Im Auftrag
gez.: Jansen