Mitteilungsvorlage - 2018/0403-E1
Grunddaten
- Betreff:
-
Lehrerausstattung an Grund- und Förderschulen - Antrag der CDU-Städteregionstagsfraktion und der GRÜNE-Städteregionstagsfraktion vom 05.09.2018
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Mitteilungsvorlage
- Federführend:
- A 41 - Schulamt
- Antragstellend:
- Meyering, Ruth
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Ausschuss für Schule, Bildung, Wissenschaft und Kultur
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Kenntnisnahme
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15.11.2018
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Sachlage:
Der im Betreff genannte Antrag war Gegenstand der Sitzungsvorlage 2018/0403 im Ausschuss für Schulen und Bildung am 20.09.2018. Dieser bat die Verwaltung, einen Sachstandsbericht zur aktuellen Lehrerausstattung an Grund- und Förderschulen vorzulegen und Möglichkeiten aufzuzeigen, eine ausreichende Unterrichtsversorgung an den Grund- und Förderschulen auch in Zukunft sicher zu stellen.
Grund- und Förderschulen leisten einen fundamentalen Beitrag in der Bildungskette. In den letzten Jahren sind die Herausforderungen und die Anforderungen gestiegen. Zuwanderung und steigende Geburtenzahlen sorgen für einen Schülerboom. Die Schülerschaft wird heterogener. Kinder mit Behinderungen oder mit herausragenden Begabungen, Kinder aus benachteiligten Familien oder mit Fluchtgeschichte haben größere Unterstützungsbedarfe. Sie alle brauchen guten Unterricht und eine individuelle Förderung.
Um faire Bildungschancen für alle Kinder zu schaffen, bedarf es einer Sicherung des Unterrichts und der Unterrichtsqualität durch gut ausgebildete Lehrkräfte.
Bundesweit ist der Lehrermangel spürbar. Er wird sich in den nächsten Jahren drastisch verschärfen. Das zeigt die Studie der Bildungsforscher Klemm und Zorn, die die Situation deutschlandweit in den Blick nimmt (vgl. Lehrkräfte dringend gesucht. Bedarf und Angebot für die Primarstufe, Januar 2018 Bertelsmann).
Auf die Anfragen zu regionalen Stellenbedarfen und zur Stellenversorgung hat die zuständige Ministerin für Schule und Bildung am 16. und 17.10.2018 in den Drucksachen 17/3944, 17/3977 und 17/3981 dezidiert geantwortet und deutlich gemacht, dass es derzeit nicht möglich ist, alle zur Verfügung stehenden Stellen zeitnah mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften zu besetzen. Die aktuelle Prognose des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Schule und Bildung (April 2018) macht deutlich, dass sich die Versorgungssituation in den nächsten Jahren gravierend verschlechtern wird.
Ausgebildete Grund- und Förderschullehrkräfte sind landesweit Mangelware. Es gibt jedoch starke regionale Unterschiede in der Versorgung.
Aktuelle Stellenbesetzungssituation an den Grundschulen im Schulamtsbezirk
Für das laufende Schuljahr wurden in NRW 3.339 Stellen für Lehr- und sozialpädagogische Fachkräfte an Grundschulen ausgeschrieben. Zum 31. August waren davon 1.766 Stellen besetzt. Das entspricht einer Besetzungsquote von 52,9 %.
An den 88 Grundschulen und acht Teilstandorten im Schulamtsbezirk der StädteRegion Aachen arbeiten fast 1.400 Lehrerinnen und Lehrer (Stand 27.08.2018 = 1.388).
Für das laufende Schuljahr wurden in der StädteRegion Aachen 61 Stellen für Lehr- und sozialpädagogische Fachkräfte an Grundschulen ausgeschrieben. Zum 31. August waren davon 26 Stellen besetzt. Das entspricht 42,6 %.
10 von 47 ausgeschriebenen Stellen für Grundschullehrkräfte konnten mit grundständig ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern besetzt werden. Vier Stellen wurden an Lehrkräfte mit Ausbildung in Sek. II vergeben. Zwölf Sozialpädagoginnen erhielten unbefristete Verträge als sozialpädagogische Fachkräfte in der Schuleingangsphase.
35 ausgeschriebene Stellen (davon eine sonderpädagogische Stelle, eine sozialpädagogische Stelle, 33 Grundschullehrerstellen) blieben zum Schuljahresbeginn unbesetzt. Der regionale Stellenpool für Vertretungsreservekräfte, die Personal- und Unterrichtsausfälle (z.B. durch akute Erkrankungen von Lehrkräften) kompensieren sollen, läuft leer. Ab November 2018 sind nur sieben von 27 Vertretungsreservestellen besetzt.
Bei der Gewinnung pädagogischen und lehrenden Personals für die Grundschulen liegt das Schulamt für die StädteRegion Aachen deutlich unter der Landesquote. Im Vergleich der elf Schulämter im Regierungsbezirk Köln bilden die Städteregion Aachen (an drittletzter Stelle), der Kreis Heinsberg und der Oberbergische Kreis die Schlusslichter bei der Stellenbesetzung. Die Regionen in Randlage leiden demnach besonders unter dem geschilderten Mangel.
Dank pädagogischer und organisatorischer Maßnahmen können die Lücken, die der Fachkräftemangel an den Grundschulen reißt, derzeit in der Regel noch gut aufgefangen werden. Seiteneinsteiger und „Lehrer ohne Lehramt“, die ausgebildete Lehrkräfte ersetzen, werden gezielt fächerbezogen eingesetzt und in enger kollegialer und fachlicher Begleitung im Team unterstützt. Viele Schulleitungen und Kollegien arbeiten an der Belastungsgrenze, um weiterhin guten Unterricht in der Primarstufe zu gewährleisten.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Ausgangslage sollen im Folgenden die Auswirkungen der aktuellen demografischen Entwicklung auf den zukünftigen Stellenbedarf und die Stellenbesetzungsperspektive an den Grund- und Förderschulen in der Städteregion Aachen beleuchtet sowie regionale Handlungsoptionen aufgezeigt werden.
Drei Faktoren spielen eine Rolle bei der Lehrerversorgung vor Ort:
- Lehrkräfteangebot und Stellenwahlverhalten
- Bedarfsanstieg im Grundschulbereich durch den Anstieg der Schülerzahlen
- Erhöhter Einstellungsbedarf durch Berufsaustritte
- Lehrkräfteangebot und Stellenwahlverhalten
Nach der aktuellen Analyse des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Schule und Bildung NRW kann der Lehrkräftebedarf in den nächsten Jahren landesweit nicht mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften gedeckt werden. Im jährlichen Durchschnitt werden etwa 1.600 Grundschullehrkräfte in 53 Schulämtern landesweit gebraucht. Verfügbar sind jährlich ca. 1.400 Absolventen. (Vgl. Prognose zum Lehrkräftearbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen, April 2018, S. 10f.)
Das geringe Lehrkräfteangebot ist u.a. auf die Verlängerung der Lehrerausbildung für das Lehramt an Grundschulen zurückzuführen, was dazu geführt hat, dass temporär weniger Absolventinnen und Absolventen zur Verfügung stehen als in den vergangenen Jahren. Der Lehrkräftemangel steigt bis zum Schuljahr 2023/2024 kontinuierlich an. Nach derzeitigem Stand können frühestens zum Schuljahr 2032/2033 alle Stellen an Grundschulen wieder mit ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden.
In der u.a. Grafik beschreibt die schmale rote Linie den kumulierten landesweiten Saldo aus Lehrkräfteangebot und –bedarf. Die Ausschläge nach unten zeigen die drastischen Unterhänge in den kommenden Schuljahren.
Quelle: Prognose zum Lehrkräftearbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen, Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, April 2018
Wie die o.a. Zahlen zeigen, wirkt sich der Druck des Fachkräftemangels regional unterschiedlich aus. Der hiesige Schulamtsbezirk gehört zu den stark betroffenen Regionen.
Grund dafür ist nicht zuletzt das Stellenwahlverhalten. Während noch vor wenigen Jahren Schulen und Schulämter unter vielen Bewerberinnen und Bewerbern geeignete Kandidaten auswählen konnten, treffen heute die Absolventen eine Auswahl unter den Bezirken und Schulen. Gerade in der Primarstufe ist die Bereitschaft zu überregionaler Mobilität eher gering ausgeprägt (vgl. Klemm/Zorn, 2018, S. 21).
Somit geraten bei der Konkurrenz um Lehrkräfte Schulamtsbezirke an den Randlagen der Ausbildungsorte ins Hintertreffen. Sie profitieren nicht vom sogenannten “Klebeeffekt“ einer Hochschulregion, in der das Studium ‘Grundschullehramt‘ angeboten wird (vgl. Anlage).
Hinzu kommt, dass sich der „Output“ der regionalen Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) in Vettweiß (Kreis Düren) und Aachen im letzten Jahrzehnt fast halbiert hat. Je etwa 60 Anwärterinnen und Anwärter werden derzeit in der 18-monatigen schulpraktischen Ausbildung in Vettweiß und Aachen auf den Schuldienst vorbereitet. Ende Oktober 2018 schließt ein Anwärterseminar aus Vettweiß die praktische Ausbildung ab. Davon haben neun angehende Lehrkräfte per Listenziehung ihr Interesse bekundet, an einer Schule in der StädteRegion zu arbeiten. Erst im Oktober 2019 wird der nächste Jahrgang des ZfsL Aachen dem Lehrkräftemarkt zur Verfügung stehen. Es ist davon auszugehen, dass sich ein erheblicher Teil der Anwärterinnen und Anwärter an eine Schule außerhalb der Städteregion Aachen bewirbt, da sich dort die sozialen Bindungen während der Studienzeit verfestigt haben.
Die regionale Stellenbesetzungsquote ist unterdurchschnittlich. Zugleich wächst der Stellenbedarf in den nächsten Jahren durch steigende Schülerzahlen und Berufsaustritte.
- Bedarfsanstieg im Grundschulbereich durch den Anstieg der Schülerzahlen
Die demografische Trendumkehr ist - mit relevanten Folgen für die Kita-Bedarfsplanung - in der Städteregion Aachen angekommen. Spätestens in zwei Jahren wird sie auch in den Grundschulen deutlich spürbar sein. Schon 2020/2021 werden nach heutigen Erkenntnissen in der Städteregion Aachen etwa 400 Erstklässler mehr eingeschult als 2018/2019 (4.340 SuS). Umgerechnet sind das bei einer Klassenfrequenz von 21,95 Schülerinnen und Schülern mindestens 18 zusätzliche Eingangsklassen.
Quelle: Stadt Aachen FB02/200 Statistikstelle lt. Melderegister der Stadt Aachen sowie Einwohnermeldedaten der weiteren städteregionsangehörigen Kommunen jeweils zum Stichtag 31.12. Berechnung und Darstellung: A 58 – Amt für Inklusion und Sozialraumplanung und A 41 – Schulamt für die Städteregion Aachen. Hinweis: Die Angaben für die Schuljahre 2018/2019 bis 2023/24 wurden jeweils auf 5 gerundet. Bei der Berechnung wurden abweichende Einschulungszeitpunkte sowie Zu- und Abwanderungen nicht berücksichtigt.
Die o.a. Grafik zeigt den rechnerischen Anstieg der Grundschulbevölkerung auf der Basis von Geburtsdaten.
Die Grundschulbevölkerung in der StädteRegion steigt in den nächsten fünf Jahren um mindestens 1.800 Schülerinnen und Schüler. Ausgehend von einer Schüler-Lehrer-Relation von 21,95 (allein für den Grundbedarf) ergibt sich unter Berücksichtigung der Stundentafel ein Mehrbedarf von 70 – 75 Stellen in Vollzeit.
- Erhöhter Einstellungsbedarf durch Berufsaustritte
Im Bundesdurchschnitt erreichen nach Studien der Bildungsforscher Klemm/Zorn fast 40% aller Lehrkräfte bis 2030 die Pensionierungsgrenze. Laut der Prognose zum Lehrkräftearbeitsmarkt des Ministeriums für Schule und Bildung ist NRW-weit ein Viertel aller Grundschullehrkräfte älter als 50 Jahre.
| bundesweit | % |
| NRW | % |
| SR Aachen | % |
| ||
60 und älter | 25.827 | 13,4 |
| 3.507 | 7,8 |
| 128 | 9,7 |
| ||
55 bis unter 60 | 24.791 | 12,9 | = 38,5 % | 4.416 | 9,8 | = 26,3 % | 176 | 13,3 | = 32,9 % | ||
50 bis unter 55 | 23.477 | 12,2 |
| 3.915 | 8,7 |
| 130 | 9,9 |
|
Die Zurruhesetzungen der an den Grundschulen in der StädteRegion beschäftigten Lehrkräfte sind gegenüber dem Landesdurchschnitt überproportional. Voraussichtlich ein Drittel aller ausgebildeten Lehrkräfte, die derzeit an Grundschulen in der StädteRegion Aachen arbeiten, geht in den nächsten 15 Jahren in den Ruhestand.
Dringender Handlungsbedarf
Der Stellenbedarf aufgrund steigender Schülerzahlen und sinkender Bestandszahlen durch Berufsaustritte lässt sich prognostisch nur ungefähr abbilden. Nicht alle Faktoren können vorausgesehen und berücksichtigt werden. Dennoch macht die u.a. Grafik eine besorgniserregende Tendenz deutlich.
Quelle: Eigene Berechnungen der Bestandsentwicklung durch voraussichtliche Berufsaustritte sowie Zusatzbedarf aufgrund der Geburtenentwicklung. (Faktoren wie frühzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben durch Berufs-unfähigkeit bereits vor der Altersgrenze, Übergang der Lehrkräfte in das Sek.-II-Kapitel, Zusatzbedarfe durch den Ausbau von Ganztagsschulplätzen und Zuwanderung sind nicht berücksichtigt.)
Um auch zukünftig den normalen Unterrichtsbedarf decken zu können, müssten in der StädteRegion Aachen nach vorsichtigen Schätzungen bis zum Schuljahr 2023/2024 mehr als 160 Lehrkräfte in Vollzeit hinzugewonnen werden. Davon kann nach dem derzeitigen Trend in der Stellenbesetzung nicht ausgegangen werden.
Das Ministerium für Schule und Bildung setzt akute Maßnahmen gegen den Lehrermangel. Das Lehramt an Grundschulen wurde für sog. Seiteneinsteiger geöffnet, die Bedingungen einer Lehrtätigkeit für Pensionäre wurden verbessert. Im Schuljahr 2018/2019 lehren insgesamt elf Lehrkräfte mit der Lehramtsbefähigung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschule an Grundschulen in der StädteRegion Aachen (Stand: Oktober 2018). Nach zweijährigem Einsatz an der Grundschule haben sie die Option, sich an eine Schulform der Sekundarstufe II wohnortnah versetzen zu lassen. Derzeit ist lediglich eine Lehrkraft mit einem Hochschulabschluss in den Fächern Kunst, Musik, Sport oder Englisch als Quereinsteigerin im Grundschullehramt in der StädteRegion Aachen tätig. Darüber hinaus unterstützen elf pensionierte Lehrkräfte die Grundschulen mit ihrem Einsatz im Rahmen von Teilzeitverträgen.
Zur Deckung des Stellenbedarfs werden auf Vertretungsstellen zunehmend Kräfte ohne pädagogische Vorbildung (sog. “Nichterfüller“) befristet eingestellt. Ein staatliches Qualifizierungsangebot wird aus arbeitsrechtlichen Gründen für befristet Beschäftigte nicht vorgehalten. Viele dieser “Lehrer ohne Lehramt“ verbleiben in Kettenverträgen und werden nach Jahren entfristet. Zu Beginn des laufenden Schuljahres 2018/2019 sind insgesamt 68 Vertretungslehrkräfte ohne Lehramtsabschluss in befristeten Beschäftigungsverhältnissen tätig. Viele von ihnen haben gute Chancen in ein unbefristetes Vertragsverhältnis überzugehen. Das Kräfteverhältnis der Fachlichkeiten in den multiprofessionellen Teams verschiebt sich zu Ungunsten grundständig ausgebildeter Grundschullehrkräfte.
Die Maßnahmen des Schulministeriums sind wichtige Faktoren bei der Sicherung von Unterricht und Unterrichtsqualität. Doch greifen sie in der StädteRegion Aachen zu kurz.
Spannt sich – wie vorauszusehen - die Stellenbesetzungssituation weiter an, ist zu befürchten, dass in den nächsten Schuljahren Klassengrößen steigen, Unterrichtsausfälle zunehmen und Stundenkontingente für die Teilnahme an etablierten regionalen Bildungsangeboten von Schultheatertagen bis zu Projekten der MINT-Förderung, der Begabtenförderung im Rahmen des Aachener Modells, der Deutsch-Intensiv-Kurse für Kinder mit Zuwanderungsgeschichte und der Euregioprofilschulen fehlen. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Schuljahren nur noch knappe Ressourcen für Fortbildungen, für die Umsetzung von Digitalisierungsprojekten sowie für die wichtige Arbeit der Schul- und Unterrichtsentwicklung zur Verfügung stehen. Langfristig leidet die Qualität der Arbeit an unseren Standortschulen und gefährdet gleiche Bildungschancen für alle Kinder in der StädteRegion Aachen.
Nach den o.a. Prognosen des Ministeriums für Schule und Bildung wird sich die Stellenbesetzungssituation mittelfristig nicht entspannen. Unmittelbar betroffen sind mindestens vier „Grundschulgenerationen“.
Aktuelle Stellenbesetzungssituation Förderschulen
Förderschulen leiden ebenfalls landesweit unter Lehrermangel. Für das laufende Schuljahr wurden in NRW 899 Stellen für Lehr- und sozialpädagogische Fachkräfte an Förderschulen ausgeschrieben. Zum 31. August waren davon 376 Stellen besetzt. Das entspricht einer Besetzungsquote von 41,8 %.
Im Schulamtsbezirk der StädteRegion Aachen ist die Situation auch hier besonders angespannt. Zwar sind 15 der 19 Förderschulen in der StädteRegion, an denen im Schuljahr 2018/2019 über 2.300 Schülerinnen und Schüler eingeschrieben sind, mit fast 410 Vollzeitstellen statistisch nahezu auskömmlich ausgestattet. Jedoch sind 27 der zugewiesenen Stellen nicht besetzt. 11 Lehrkräfte fallen aufgrund längerfristiger Erkrankung oder Schwangerschaft aus. Einige Standorte arbeiten schon jetzt unter den Bedingungen einer extremen Unterbesetzung von 25 %.
Die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit formal festgestelltem Unterstützungsbedarf nimmt zu. Zugleich steigt der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die sich für den Besuch einer Förderschule entscheiden. Für das Schuljahr 2018/2019 wird von einer Zahl von über 2.360 Schülerinnen und Schüler ausgegangen.
Der Trend des Elternwahlverhaltens geht, wie die u.a. Übersicht und die Grafik zum Übergang vom 4. ins 5. Schuljahr zeigen, wieder in Richtung Förderschule.
Förderortwahl beim Wechsel vom 4. ins 5. Schuljahr in der Städteregion Aachen:
Schuljahr | Wechsler 4 nach 5 | Wunsch GL | % | Wunsch FöS | % |
2014/15 | 367 | 210 | 57 | 157 | 43 |
2015/16 | 394 | 286 | 73 | 108 | 27 |
2016/17 | 361 | 233 | 65 | 128 | 35 |
2017/18 | 390 | 212 | 54 | 178 | 46 |
Hinzu kommt, dass viele der an Förderschulen eingeschriebenen Schülerinnen und Schüler zunehmend intensiv betreut werden. Die Anträge für 1:1-Schulbegleitungen an Förderschulen steigen kontinuierlich an. Der Anteil an Förderschülern nach § 15 AO-SF (Bedarf an intensiv-pädagogischer Förderung bei Schwerstbehinderung) nimmt zu.
Zahlen der § 15 AO-SF Anträge:
- Schuljahr 2016/2017 - Erstanträge 102; Folgeanträge 272
- Schuljahr 2017/2018 – Erstanträge 108; Folgeanträge 315
- Schuljahr 2018/2019 – Erstanträge 107; Folgeanträge 349
Nach Zahlen des Ministeriums für Schule und Bildung liegen die Förderschulen vor Ort bei der Besetzung von Stellen für Sonderpädagogen im Landesvergleich an drittletzter Stelle (vgl. Landtag NRW, Drucksache 17/2089).
Fazit
Die besondere Situation an den Grund- und Förderschulen in der StädteRegion erfordert besondere Maßnahmen des Landes und zusätzliche regionale Initiativen.
Vor dem Hintergrund der zunehmend angespannten Lage auf dem Lehrkräftearbeitsmarkt in NRW arbeitet das Schulministerium an der Umsetzung einer Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrerausstattung und Unterrichtssicherung. Parallel zu den o.g. Maßnahmen der Stellenöffnung wurde landesweit eine breit angelegte Werbe- und Imagekampagne für den Lehrerberuf aufgelegt. Zum Wintersemester 2018/2019 wurden für das Lehramt an Grundschulen 339 zusätzliche Studienplätze und für das Lehramt für sonderpädagogische Förderung 250 zusätzliche Studienplätze bereitgestellt. Ziel war und ist es, mehr junge Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen.
Aufgrund mangelnder Studienplatzkontingente in NRW und zum Teil günstigerer Zulassungsvoraussetzungen belegen junge Menschen aus unserer Region Lehramtsstudiengänge u.a. an der Universität Koblenz-Landau in Rheinland-Pfalz. Bezug nehmend auf die Ergänzungen in der Sitzung des Ausschusses für Schulen und Bildung vom 20.09.2018 wird angemerkt, dass bei diesem Personenkreis erfahrungsgemäß von einer hohen Rückkehrwahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann. Die Wirkung einer eigenen Imagekampagne für einen Berufsstart junger Lehrkräfte an Schulen in der StädteRegion Aachen wird vor diesem Hintergrund als gering eingeschätzt. Dies gilt insbesondere auch, weil Landesstellen für Lehrkräfte zugewiesen werden und eine Steuerungsmöglichkeit durch die StädteRegion Aachen nicht gegeben ist.
Eine weitere Vereinfachung des Lehrereinstellungsverfahrens bringt nach Einschätzung der Verwaltung ebenfalls keine deutlichen Effekte für das Lehrkräfteangebot vor Ort. Im hiesigen Schulamtsbezirk sind zahlreiche Lehrkräfte beschäftigt, die ihre Ausbildung im Ausland absolviert haben und ihre dort erworbenen Abschlüsse in NRW haben anerkennen lassen. Die Befugnis zur Anerkennung von Lehramtsbefähigungen, Lehramtsprüfungen und Hochschulabschlussprüfungen ist per Verordnung auf die Bezirksregierungen (s. BASS 10-32 Nr. 55) und soweit sie in Ländern der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in der Schweiz erworben oder abgelegt worden sind, der Bezirksregierung Arnsberg übertragen worden. Diese entscheidet nach den landeseinheitlichen Regelungen der Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.09.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen im Lehrerbereich (s. BASS 20-08 Nr. 6.1).
Ein kurzfristiger Ausgleich der Fachkräfteversorgung zwischen den Regionen kann nur durch eine landesseitige Ressourcensteuerung erreicht werden, zum Beispiel durch die gezielte Zuweisung freier Stellen für Studienabsolventen in unterversorgte Regionen und die deutliche Anhebung der Zuweisungskontingente für Lehramtsanwärter an die regionalen Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung.
Der überwiegende Anteil junger Lehrkräfte bewirbt sich aufgrund der sozialen Bindungen auf Stellen am Studienort. Das Grundschullehramt sowie das Lehramt Sonderpädagogik werden an der RWTH Aachen nicht angeboten. Die Verwaltung setzt sich für die Erweiterung des Studienangebotes an der RWTH ein, um die regionale Lehrerversorgung und eine hohe Unterrichtsqualität vor Ort langfristig sicher zu stellen. Dabei werden die Möglichkeiten und Chancen gesehen, die sich daraus für die Attraktivität des Hochschulstandortes, für die MINT-Förderung sowie für grenz- und hochschulübergreifende Kooperationen in der Region ergeben.
Für „Lehrer ohne Lehramt“, die an den Grundschulen in der StädteRegion Aachen tätig sind, ist derzeit ein konkretes regionales Unterstützungsangebot in Vorbereitung. Unter fachlicher Beratung der unteren Schulaufsicht und in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein zur Förderung von Bildung und Beruf in der StädteRegion Aachen „Partner für Bildung e.V.“ haben Schulamt und Bildungsbüro ein Starterpaket für nicht grundständig ausgebildete Vertretungskräfte entwickelt. In der „Werkstatt für Lehrkräfte ohne Lehramt“ wird Seiteneinsteigern das Grundwerkzeug für ihre Arbeit mit Kindern im Grundschulalter vermittelt. Durch den Aufbau eines strukturierten Reflexionsformates mit Experten und Kollegen wird die methodische und fachliche Stärkung der Kräfte nachhaltig sichergestellt. Die Werkstatt orientiert sich an Fragen aus der Praxis und berücksichtigt die aktuellen Richtlinien und Lehrpläne. „Lehrkräfte ohne Lehramt“, die sich für ihre Arbeit an Grundschulen durch professionelle Unterstützung in ihren Kompetenzen weiterentwickeln wollen, können sich für eine Teilnahme voraussichtlich ab dem 2. Schulhalbjahr 2018/2019 anmelden.
Schulsysteme, die besonders unter dem Druck des Fachkräftemangels stehen, brauchen flankierende Unterstützung aus der Region. Seit drei Jahren erprobt die StädteRegion Aachen im Modellprojekt der Koordinierungs- und Beratungsstelle für systemische Inklusionshilfe (KOBSI) erfolgreich die „Systemunterstützung“ durch Inklusionshelfer, die in den multiprofessionellen Teams ausgewählter Pilotschulen arbeiten. Die Verwaltung engagiert sich für den Ausbau des Modellprojektes und die nachhaltige Etablierung eines tragfähigen Regionsmodells.
Rechtslage:
Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Landes. § 86 SchulG hält fest, dass die Gesamtheit der landesseitigen Befugnisse zur zentralen Ordnung, Organisation, Planung, Leitung und Beaufsichtigung des Schulwesens ein Schulsystem gewährleisten sollen, das allen jungen Menschen ihren Fähigkeiten entsprechende Bildungsmöglichkeiten eröffnet. Lehrerinnen und Lehrer an den öffentlichen Schulen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände stehen im Dienst des Landes (§ 57 SchulG). Gemäß § 88, Absatz 3 nehmen die staatlichen Schulämter in ihrem Gebiet die Schulaufsicht über die Grundschulen sowie die Fachaufsicht über Haupt- und Förderschulen wahr. Dazu gehört die Verwaltung der landesseitig zur Verfügung gestellten Personalstellen an den Grundschulen des Schulamtsbezirkes.
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